Tipps & Tricks
Die 44 Regeln der Zigarren-Etikette
Willy Alvero verrät das Einmaleins des Cigarrenrauchens …
1. Etwas zu rauchen anzubieten ist seit jeher eine Geste besonderer Wertschätzung. Sei es, um jemanden kennenzulernen, sei es, um eine angenehme Situation für ein Gespräch zu schaffen. Man denke nur an die Friedenspfeife der Indianer. Zwischen Tabak und Cigarre besteht kein großer Unterschied. Sich in Gesellschaft eine Cigarre anzuzünden, ohne zuvor den nächsten Anwesenden eine offeriert zu haben, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Eine Cigarre anzubieten ist Ehrensache.
2. Mit einem Etui für vier Cigarren liegen Sie meist richtig. Einerseits hat es das ideale Taschenformat, andererseits können Sie drei weiteren Personen eine Cigarre anbieten. Bei größeren Gesellschaften empfiehlt sich die Mitnahme einer Cigarrenkiste.
3. Überlassen Sie die Wahl der Cigarre stets Ihrem Gegenüber, auch wenn es sich um eine desselben Formats handelt. Damit bezeugen Sie ihm Ihren Respekt.
4. Nicht wenige haben die Angewohnheit, den Feuchtigkeitsgrad einer Cigarre durch Druck auf deren Körper zu überprüfen, sie gegebenenfalls auch prüfend ans Ohr zu halten, da deutliches Knistern von einer zu trockenen Konsistenz zeugen soll. All das sollte tunlichst vermieden werden. Stellen Sie sich einmal vor, Sie bekämen eine Cigarre angeboten, die zuvor durch Dutzende von prüfenden Händen gegangen ist – eine recht unappetitliche Vorstellung. Qualitätsbezogener Nebeneffekt: Auch das Deckblatt einer hinlänglich feuchten Cigarre nimmt durch eine solch intensive »Behandlung« Schaden.
5. Um den Feuchtigkeitsgrad zu ermitteln, genügt ein einmaliger leichter Druck. Bedeutend besser läßt sich die Qualität einer Cigarre allerdings über die Nase beurteilen: Zu trockene Cigarren geben wenig Aromen frei.
6. Jüngst aufgekommene Beschränkungen bescheren auch dem Cigarrenliebhaber neue Erschwernisse. Es reicht heute nicht mehr aus, sich in einem Restaurationsbetrieb nach dem Raucherbereich zu erkundigen. Nicht in jedem Raucherzimmer ist auch das Cigarrenrauchen erwünscht. Das Servicepersonal wird Ihnen die entsprechende Auskunft geben.
7. Vor dem Anschnitt sollte der Cigarrenkopf mit Speichel angefeuchtet werden. Ein feuchtes Deckblatt bleibt beim Anschneiden unversehrt. Auf Außenstehende, insbesondere auf Laien, mag dieses Ritual provokant, gar abstoßend wirken. Lassen Sie sich davon nicht weiter stören. Wenn sogar der spanische König von seinem Protokollchef in dieser Praxis bestärkt wird, sei sie auch allen anderen Sterblichen gestattet.
8. Die vorherige Regel gilt selbstverständlich nur im Falle der eigenen Cigarre. Keinesfalls werden Sie, weder in privaten Räumen noch in einem Restaurant, eine solch intime Handlung einem anderen überlassen.
9. Lassen Sie sich beim Anschnitt des Kopfes Zeit. Das Anschneiden zählt zu jenen wichtigen Ritualen des Cigarrenrauchens, das viel Sorgfalt verlangt. Ein großer Anschnitt erleichtert den Zug, ein kleinerer hingegen wird ihn etwas erschweren. Entsprechend sollten Sie den Anschnitt wählen, der Ihren Vorlieben entgegenkommt.
10. Auch unter den Schneideutensilien sollten Sie auf das Gerät vertrauen, mit dem Sie am besten zurechtkommen. Das kann ein Rundcutter sein, eine Guillotine oder eine Schere. Auf jeden Fall sollen Sie preisgünstige Modelle meiden. Sie stumpfen schnell ab – und ein stumpfes Gerät beschädigt unweigerlich jede Cigarre. Entscheiden Sie sich daher immer für ein hochwertiges Schneidegerät.
11. Auf v-förmige Cutter, wie sie vor einigen Jahren in Mode gekommen sind, empfiehlt es sich zu verzichten. Ihre kraterähnlichen Löcher behindern die Luftzirkulation und begünstigen damit die Konzentration von Nikotin. Ein unangenehm bitterer Geschmack ist die Folge.
12. Beim Rundcutter ist die richtige Größe zu beachten. Die Öffnungen sollten zwei Drittel der Gesamtfläche ausmachen. Für jedes Format gibt es das passende Modell. Rauchen Sie gewöhnlich ein bestimmtes Format, ist ein Cutter ausreichend. Für Figurados ist er dagegen ungeeignet.
13. Das universellste Gerät ist die Schere. Mit ihr lassen sich alle Formate problemlos anschneiden.
14. Auch das Anzünden einer Cigarre duldet keine Hektik. In der Eile versuchen wir zuweilen, eine Cigarre wie eine Cigarette anzuzünden, um schnell den ersten Zug machen zu können. Davon ist abzuraten. Die Cigarre ist auf eine solch abrupte und aggressive »Attacke« überhaupt nicht vorbereitet. Es wird dann kaum gelingen, sie gleichmäßig zu rauchen. Darüber hinaus wird sie mit großer Wahrscheinlichkeit unregelmäßig abbrennen.
15. Die Cigarre in den Händen, zünden Sie das Cigarrenende sorgfältig von der Mitte her an. Die Flamme arbeitet sich dann vom weniger leicht brennbaren Ligero-Blatt zu den Rändern hin vor. Erst wenn die gesamte Fläche glüht, kann der erste Zug gemacht werden.
16. Ungleichmäßiges Brennen läßt sich durch leichtes Blasen auf die geringer entflammten Stellen der Cigarre beheben.
17. Für den täglichen Gebrauch sind spezielle Streichhölzer für Cigarren empfehlenswert. Soll es einmal schnell gehen, kommen auch Pfeifenanzünder in Frage, die sich übrigens dann am besten für das Anzünden einer Cigarre eignen, wenn Sie sich im Freien aufhalten. Natürlich ist auch gegen normale Gasfeuerzeuge absolut nichts einzuwenden.
18. Wer besonders viel Wert auf Etikette legt, der greife beim Anzünden zu einem Holzspan. Das damit verbundene Procedere erfordert allerdings einige Erfahrung und Geschicklichkeit.
19. Einige Cigarrenraucher erwärmen die Cigarre vor dem Anzünden über der Flamme. Hiervon ist eher abzuraten. Das Deckblatt wird beschädigt, die Cigarre trocknet aus, und der Rauch wird sehr heiß.
20. Im Unterschied zur Cigarette verlangt die Cigarre Respekt und Aufmerksamkeit. Nie sollten Sie sich ihrer schämen, indem Sie das feine Stück beispielsweise unter dem Tisch verstecken.
21. Halten Sie die Cigarre zwischen zwei Zügen stets mit der Asche nach oben. Nur so bildet sich ein gleichmäßiger Abbrand aus. Außerdem hält die Asche länger an der Cigarre, weshalb sie keine übermäßig starke Hitze entwickelt. Eine Cigarre brennt bekanntlich dank der Sauerstoffzufuhr, wodurch die heiße Luft nach oben abzieht. Bei einer Cigarre, deren Brandende nach unten gehalten wird, steigt der heiße Rauch zum Cigarrenkopf auf. Die Folge ist ein heißeres und schärferes Rauchen. Halten Sie die Cigarre dagegen nach oben, sind die Temperaturen niedriger und ist das Rauchen angenehmer.
22. In verschiedenen Ländern herrschen unterschiedliche Auffassungen darüber, wie eine Cigarre zu halten ist. In Ländern mit recht konservativen Traditionen, wie etwa in England und in der Schweiz, ist es nicht üblich, die Cigarre zwischen den Zähnen zu halten. Die Ästhetik hat hier eindeutig Vorrang.
23. In Ländern wie Spanien und Kuba wird das hingegen bedeutend lockerer gesehen. Dort hält der Aficionado seine Cigarre ausschließlich zwischen den Zähnen. Die ätherischen Öle aus dem Deckblatt können sich so ungehindert im Mund verbreiten und belohnen den Raucher mit einem recht intensiven Geschmack.
24. Die Cigarre zwischen den Zähnen – das kommt einer Art Provokation gleich, der selbstbewußten Demonstration des eigenen Egos. Der angehende Cigarrenraucher ist da eher zurückhaltend.
25. Für manche gehört das Eintauchen der Cigarrenspitze in Cognac oder Calvados, in Portwein oder Whisky zum guten Ton. Winston Churchill soll seine Cigarren stets in Whisky getaucht haben. Ob Dichtung, ob Wahrheit – es sei dahingestellt. Fest steht: Durch das Eintauchen näßt die Cigarre durch, es verändert sich ihr Geschmack – und ob das den Rauchgenuß erhöht, darf bezweifelt werden.
26. Manchmal brennt die Cigarre während des Rauchens unregelmäßig ab. Zum einen sticht dadurch der Rauch ins Auge, zum anderen sieht das Ganze nicht gerade schön aus. Diese Unregelmäßigkeit sollte deshalb korrigiert werden. Hier bieten sich zwei Methoden an: entweder die erloschene Seite erneut anzünden oder die intensiver brennende Seite mit dem nassen Finger etwas anfeuchten.
27. Wollen Sie eine erloschene Cigarre erneut anzünden, dann streichen Sie die Asche vollständig ab, so daß die gesamte Brandfläche zum Vorschein kommt. Nun ist sie wieder leicht entzündbar. Mit »alter« Asche weiterzurauchen heißt, mit schlechtem Geschmack weiterzurauchen. Außerdem führt solches Tun zu Temperaturschwankungen, wodurch Kondensatrückstände entstehen, die in der Asche als Feuchtigkeit und (unangenehme) Aromastoffe zurückbleiben (Öl und Teer), welche bei erneutem Anzünden in den Cigarrenkörper übergehen. So erhöht sich zum einen der Feuchtigkeitsgehalt, der die ursprüngliche Struktur destabilisiert, und zum anderen können die »erstarrten« Aromastoffe den Geschmack verändern.
28. Um die Cigarre möglichst gründlich von Aromarückständen zu befreien, ist es angeraten, folgendermaßen vorzugehen: Sie zünden die Cigarre an, aber anstatt eines Zuges blasen Sie einige Male auf das Brandende. Sie haben dann gute Chancen, die unangenehmen Stoffe loszuwerden.
29. Hat eine erloschene Cigarre länger als eine Stunde gelegen, sollte sie nicht wieder angezündet werden. In dieser Zeit haben sich in ihr unumkehrbare Prozesse vollzogen – ihr ursprünglicher Geschmack ist nicht wiederherzustellen.
30. In klimatisierten Räumen zu rauchen ist nicht empfehlenswert. Mit der Zeit und bei regelmäßigem Kontakt mit Cigarrenrauch verbreitet die »angegriffene« Klimaanlage unangenehme Gerüche. Die Erklärung hierfür ist einfach: Cigarrenrauch ist alkalihaltig und enthält, im Vergleich zum Cigarettenrauch, bedeutend mehr Aromastoffe. Hier handelt es sich um organische Verbindungen, welche die Cigarre als Rauch »verlassen« und nach einer gewissen Zeit den Gang alles Irdischen antreten. In diesem Fall lagern sie sich in den Filtern der Klimaanlage ab, weshalb die Filter bei entsprechender Konzentration Gerüche absondern, die an kalte Cigarettenstummel erinnern. Natürlich ist die beste Präventivmaßnahme das Auswechseln der Filter.
31. Das oben Gesagte bezieht sich auch auf Klimaanlagen in Autos. Der Unterschied ist nur, daß hier die Filter bedeutend schwerer auszuwechseln sind. Bedenken Sie also die Folgen, bevor Sie sich eine Cigarre im Auto anzünden.
32. Beeilen Sie sich nicht, die Asche abzustreifen. Sie kühlt den Rauch ab und mindert dem Rauch die Aggressivität.
33. Die Aschenmenge an der Cigarre ist ihr Gütesiegel. Daher sollte die Asche solange wie möglich am Brandende verbleiben. Zweieinhalb Zentimeter gelten als Durchschnittswert, während bei manchen Formaten die »Aschesäule« sogar über fünf, ja sieben Zentimeter geht.
34. Die Asche sollte im Aschenbecher nicht zerbröselt, sondern mit einigem Geschick von der Cigarre abgestreift werden. Hiermit demonstrieren Sie die Festigkeit und die Stabilität der Asche – ein weiterer Beweis für die Güte Ihrer Cigarre.
35. Im Cigarrenaschenbecher sollte sich, außer Asche und Streichhölzern, nichts Überflüssiges befinden. Verpackungen oder Papier, schon gar nicht Teebeutel oder Kaugummi haben hier etwas verloren. Ja, viele überzeugte Connaisseure sehen darin die respektlose Entweihung der »letzten Ruhestätte« einer Cigarre. Des weiteren: Käme eine Cigarre etwa mit einem nassen Teebeutel in Berührung, würden ihre organoleptischen Eigenschaften unweigerlich beeinträchtigt.
36. Auch die Bauchbinde der Cigarre hat nichts im Aschenbecher zu suchen. Sie können sie nach dem Entfernen auf den Tisch legen – und sie wird dann vielleicht von einem Liebhaber in Empfang genommen, der diese Anillos sammelt.
37. Ob die Bauchbinde entfernt wird oder nicht, entscheidet jeder Raucher individuell. Die Anhänger der »nackten« Cigarre haben etwas gegen das »Label-Rauchen«, während andere wiederum meinen, das Cigarrenrauchen drücke bereits einen gewissen Status aus, weshalb die Demonstration der bevorzugten Marke nichts Anstößiges an sich habe.
38. Früher oder später muß die Bauchbinde ohnehin entfernt werden. Bei einer Cigarre, die sich noch im kalten Zustand befindet, empfiehlt sich solches Tun nicht. Da die Bauchbinden in der Regel durch etwas Pflanzenleim »angedockt« werden, könnte durch diesen Vorgang das Deckblatt beschädigt werden. Warten Sie also, bis sich die Cigarre gebührend erwärmt hat.
39. Jene Raucher, die sich ihrer Cigarre nicht »schämen«, sollten vor allem auf eines achten: Die Bauchbinde darf nicht zusammen mit dem Tabak verbrennen. Deshalb: »Entkleiden« Sie Ihre Cigarre rechtzeitig.
40. Der Zeitpunkt des Abschieds von der Cigarre hängt von der Cigarre selbst bzw. deren Rauchbarkeit sowie vom Stil und von der Erfahrung des Rauchers ab. Ein Drittel als Rest gilt als normaler Richtwert für Raucher mit »normaler« Erfahrung. Der Kenner raucht dagegen gerne bis zur »heißen Lippe«. Ein nicht allzu schöner Anblick – in Ländern wie Spanien und Kuba erkennt man daran jedoch den gestandenen Aficionado. Um sich die Finger nicht zu verbrennen, nimmt der eine oder andere schon einmal einen Zahnstocher zu Hilfe, auf den er den verbliebenen Cigarrenkopf »spießt«.
41. Das andere Extrem ist das Wegwerfen von Cigarren, die nur knapp bis zur Hälfte aufgeraucht sind. Solch eine Handlung gleicht einer Zumutung für die Cigarre selbst, aber auch für den freundlichen Spender. Das ist ungefähr so, als ob man Bordeaux in Senfgläser füllen oder einen edlen Whisky mit Cola »strecken« würde. Sehen zu müssen, daß eine Cigarre unverstanden bleibt – ein Trauerspiel.
42. Damit das Servicepersonal im Restaurant den Aschenbecher samt Cigarre nicht vor der Zeit abräumt, wenden Sie einfach das »Messer-und-Gabel-Prinzip« an. Wenn Sie mit dem Rauchen noch beschäftigt sind, legen Sie die Cigarre in die Vertiefung des Aschers. Sind Sie hingegen mit dem Rauchen fertig, lassen Sie sie in der Mitte des Aschenbechers liegen.
43. Eine Cigarre stirbt für sich allein. Im Aschenbecher geschieht das relativ schnell (in etwa zwei bis drei Minuten), und zwar aus dem Grund, weil an die dicht gepreßten Tabakblätter der Einlage kaum Sauerstoff herankommt.
44. Man sollte eine Cigarre niemals im Aschenbecher ausdrücken. Tun Sie es dennoch, erleichtern sie die Sauerstoffzufuhr. Je stärker die Cigarre ausgedrückt wird, desto besser wird sie mit Sauerstoff versorgt – und um so stärker wird sie auflodern. Abgesehen davon ist das Ausdrücken einer Cigarre ein Sakrileg – jeder Connaisseur wendet sich beim Anblick eines »zerfledderten« Cigarrenkopfs mit Schaudern ab.